Steger

    Ulla Steger Fortsetzung...

    • Ist es Krebs?
      Die Diagnose wird oft umschrieben, um das Kind zu schonen, dadurch hört es von anderen, z. B. von Klassenkameraden auf wenig einfühlsame Art und Weise, dass die Mutter/der Vater an Krebs erkrankt ist.
    • Stirbt die Mutter/der Vater daran?
      Kinder kennen die Verbindung von Krebs und Tod. Es hilft ihnen, auf Menschen aus ihrem Umfeld aufmerksam gemacht zu werden, die ihre Krebserkrankung überlebt haben. Davon gibt es viele, die aber oft kaum wahrgenommen werden, wenn nicht explizit darüber gesprochen wird, z. B. die Nachbarin, die vor 20 J. Brustkrebs hatte, der Mitschüler, der Leukämie hatte etc. Hierhin gehört je nach Prognose auch die Aussage, dass Krebs tödlich ausgehen kann, dass aber alles getan wird, um die Krankheit zu heilen bzw. ein langes Leben damit zu ermöglichen.
    • Bin ich / ist der Vater oder ... Schuld an der Erkrankung?
      Genauso wie wir Erwachsenen haben Kinder den Wunsch, Erklärungen und Ursachen für die Krankheit zu finden. Dazu gehören fast immer Schuldzuweisungen. Ihr könnt erklären, dass Krebsentstehung nichts mit dem Verhalten des Kindes bzw. Streitigkeiten mit dem Vater etc. zu tun hat.
    • Ist Krebs ansteckend?
      Darf ich meine Mutter umarmen, darf sie mir einen Kuss geben? Diese Gedanken kommen oft aus dem Umfeld des Kindes (Schule, Nachbarschaft).
    • Bekomme ich auch Krebs?
      Erklärt dem Kind, dass sein Risiko an Krebs zu erkranken, nicht größer ist als bei anderen Menschen. Bei einer möglichen oder erwiesenen genetischen Disposition zu dieser Erkrankung ist es sinnvoll, die Fragen dazu zusammen mit dem behandelnden Arzt altersentsprechend zu beantworten.

    Es hilft den Kindern zu wissen, dass sie mit ihren Freunden über die Krankheit und die familiären Veränderungen und Sorgen reden dürfen.  Sie reden am liebsten mit Kindern, die ihre Situation aus eigener Erfahrung kennen. Auch  Erzieher, Lehrer und die Eltern  ihrer Freunde sollten informiert sein, damit sie ein verändertes Verhalten der Kinder einordnen und für sie da sein können.

    Ein häufiger Konflikt zwischen Eltern und Kindern hängt mit einer Enttäuschung der Eltern über das Verhalten ihrer Kinder zusammen: Eltern wollen ihre Kinder durch ihre Krankheit nicht belasten und sind traurig, dass sie das nicht verhindern können. Gleichzeitig beklagen sie oft fehlendes Mitgefühl bei ihren Kindern.  Beispiel: die Mutter leidet unter Übelkeit durch die Chemotherapie. Ihr Kind will sich mit Freunden treffen, laute Musik hören, zu einer Party gehen. Das erscheint den Eltern manchmal gefühllos. Dabei ist dieses Verhalten für die Kinder oft dringend nötig, um das Gefühl zu haben, normalen altersgemäßen Alltag erleben zu können und sich altersgemäß verhalten zu dürfen. Es schützt sich damit vor Überforderung und der Isolierung von Gleichaltrigen. Es ist gut, ihm diesen Entwicklungs- und Schutzraum zu ermöglichen und manchmal Kompromisse auszuhandeln (z. B. phasenweise die laute Musik bei den Freunden zu hören, nicht zu Hause).

    Die Eltern haben für ihre Kinder eine wichtige Modellfunktion, gerade auch in Krisenzeiten: Es tut den Eltern und den Kindern gut, wenn die Eltern gut für sich selbst sorgen und sich Hilfe und Entlastung holen, z. B. in der Selbsthilfegruppe, in einer Psychotherapie, mit einer Kur, mal mit einer Krankschreibung als überlasteter erschöpfter Partner oder als Erkrankter nach Abschluss der Behandlung. Neben der wichtigen Modellfunktion werden die Kinder dadurch entlastet und das Risiko einer „Parentifizierung“ verringert. Parentifizierung bedeutet, dass Kinder in eine Art Elternrolle gegenüber den Eltern geraten und sich für deren Wohlergehen verantwortlich fühlen. Dies ist immer eine Überforderung für Kinder.

    Deshalb ist es für die Kinder wichtig, dass ihre Eltern sich die Unterstützung, die sie nötig haben, von anderen Erwachsenen holen. Das gilt auch für die Betreuung und Versorgung der Kinder: Wenn die Eltern phasenweise wenig Kraft für die Kinder haben, ist es sinnvoll, andere Familienangehörige, Freunde oder Familien von befreundeten Kindern um aktive, konkrete Hilfe zu bitten bzw. deren Angebote auch anzunehmen.

    Seminar "Töchter und Söhne an Krebs erkrankter Eltern" mit Ulla Steger

    Ulla Steger hat das Seminar "Töchter und Söhne krebskranker Eltern" an der Mildred Scheel Akademie angeboten und berichtet über Ihre Erfahrungen in einem Vortrag:

    Wenn Kinder an speziellen Seminaren für "Töchter und Söhne krebskranker Eltern" teilnehmen, kommen sie überwiegend aus Familien, in denen die Prognose der Krebserkrankung der Mutter oder des Vaters sehr ungünstig ist bzw. der Krankheitsverlauf oder die Behandlung sehr schwer und belastend war oder ist (z. B. bei oder nach einer Hochdosistherapie, bei Rezidiv oder Metastasen). Das gleiche gilt auch für Familiengespräche, die ich in der Praxis führe. Deshalb geht es auch in den Beispielen um den Umgang mit der Lebensbedrohung bzw. dem Tod eines Elternteils.

    Die "Kinder" sind - entsprechend der Seminarausschreibung - zwischen 13 und 25 Jahre alt, also Jugendliche und junge Erwachsene. Mit noch jüngeren Kindern würde die Gruppe zu inhomogen und es wäre eine weitere Referentin erforderlich. Die drei letzten Seminare hatten jeweils sieben Teilnehmer aus ganz Deutschland, 17 waren weiblich, vier männlich. Die meisten kommen bei einer Erkrankung der Mutter. Bei vier Teilnehmerinnen waren die Mütter verstorben, bei zwei Teilnehmern waren beide Eltern erkrankt.

    Ich arbeite mit Elementen aus Methoden, die den Gefühlsausdruck erleichtern und erlebnisaktivierend sind:

    Imagination
    entsprechend der katathym - imaginativen Psychotherapie und mit Symbolarbeit (Lit.: Leuner: Lehrbuch der katathym - imaginativen Psychotherapie, Wollschläger: Der Schwan und die Spinne). Gerade für Kinder und Jugendliche, deren verbale Ausdrucksfähigkeit nicht gefördert wurde oder denen es schwer fällt, Emotionales von sich mitzuteilen, sind diese Methoden sehr hilfreich. Auflerdem wird durch die Symbolebene eine Distanzierung von den eigenen Gefühlen und der Betroffenheit ermöglicht, was hilfreich ist bei aufwühlenden oder ängstigenden Themen.

    Symbolarbeit
    diese sieht so aus, dass ich eine Sammlung von etwa 250 Fotos, Kunstpostkarten und Ansichtskarten ausgebreitet habe, aus denen sich die Teilnehmer zu bestimmten Themen einige Bilder aussuchen und sie dann der Gruppe vorstellen. Bei den Imaginationen gebe ich eine Entspannungsanleitung, mache dann eine Motivvorgabe, zu der bei den Teilnehmern Bilder bzw. ganze Handlungsabläufe entstehen, die sie danach malen und dann dazu erzählen. Imaginationen wirken entlastend durch die Möglichkeit des Gefühlsausdrucks.

    Sie verdeutlichen Konflikte, es finden sich Lösungen, die ermutigen, und das spontane Entfalten der Kreativität wirkt stärkend und belebend. Auf der Symbolebene dürfen auch Gefühle und Gedanken ausgedrückt werden, die sonst dem Loyalitätssgebot gegenüber den Eltern unterworfen sind. Die Imaginationen, die Symbolarbeit und das Malen wird von den Teilnehmern sehr positiv angenommen und als hilfreich erlebt. Ich wähle im Laufe eines Seminars Motive nach verschiedenen Gesichtspunkten aus, z. B. stärkende und stabilisierende Motive (z. B. der sichere Ort, in einer schönen Landschaft, du selbst als Tier, das sich wohlfühlt), dann Motive, die eine spirituelle Ebene ermöglichen (Begegnung mit einer weisen Gestalt, Tempel der Stille oder ein heiliger Ort, Ort der Ruhe) und Motive, die eine Zukunftsaussicht aufzeigen (z. B. ein Weg).

    Immer wieder auffällig ist die Ähnlichkeit in den Bildern und Symbolen bei den Seminarteilnehmern. So sahen bei einer Imagination zu einer Landschaft drei der sieben Teilnehmer eine Wüste. - Manchmal sind die Bilder zweigeteilt: Die eine Hälfte ist grau, dort stehen Bäume, die keine Blätter mehr haben oder beschädigt wurden, d. h. die Baumkrone oder die Äste wurden abgesägt; in der anderen Hälfte dagegen scheint die Sonne und die Bäume sind stark und gesund. Die Bilder meiner krebskranken erwachsenen Patienten sehen in Krisenzeiten oder auch bei weit fortgeschrittener Krankheit ganz ähnlich aus. Die Wüste, die auf Einsamkeitü Dürre, die Auseinandersetzung mit existentiellen Fragen hinweist, die kahlen oder verstümmelten Bäume, die als Darstellung von Kraftlosigkeit und vitaler Bedrohung verstanden werden könnenü sind kollektive Symbole. Das gleiche gilt auch für Motive, die stärkend und heilend erlebt werden: das Meer, gesunde Bäume, die über den Bergen aufgehende Sonne. Zu einem Meeresbild sagte eine Teilnehmerin: "Ich darf mir Zeit nehmen für mich, alles fliessen lassen. Ich darf Stunden nur daliegen, bis ich wieder im Einklang mit mir selbst bin."

    Zum Abschluss zeige ich noch fünf von verschiedenen Teilnehmern ausgewählte Karten zum Thema: "Was nehme ich vom Seminar mit nach Hause?" und lese ihre kurzen Kommentare dazu vor, die ich mitgeschrieben habe.

    • Das Festmahl: "Ich geniesse alle schönen Tage, die wir mit meiner Mutter haben können."
    • Wüste: "Wir alle haben einen schweren Weg vor uns, den wir allein gehen müssen. Aber wir haben uns hier getroffen und haben Spuren hinterlassen."
    • Bäume 1: "Welche Kraft habt Ihr! Ich kann von euch lernen!"
    • Bäume 2: "Der Wald gibt mir Unterstützung. Es gibt keinen Weg; aber ich kann selbst entscheiden, woher ich gehe. Vielleicht tut sich eine Lichtung auf."
    • Kind mit Muschel: "Ich durfte hier wieder Kind sein und nur an mich denken"

    Diese Karte mit dem der Muschel lauschenden Kind war für mich ein schöner, passender Abschluss des Seminars: Das Kind kann in die Muschel und damit auch in sich hineinhören und sieht ganz entspannt und in sich ruhend aus. In solchen Momenten kann es auftankenü was es genauso nötig braucht wie auch die erkrankten Eltern und auch die Begleiter und Behandler. Ulla Steger arbeitet als niedergelassene Psychotherapeutin in Düsseldorf mit der Spezialisierung auf krebskranke Erwachsene und ihre Angehörigen und auf Kinder lebensbedrohlich erkrankter bzw. verstorbener Eltern.

    Kontakt zu Ulla Steger Beratungsstelle ZEBRA Düsseldorf